rechtzeitig zu den vorgezogenen Neuwahlen hatte die Deutsche Rheuma-Liga ihren Aktionsplan für rheumakranke Menschen 2025 veröffentlicht. Mit Spannung haben wir nun den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD daraufhin durchgesehen, ob und inwieweit die Koalitionäre die besonderen Bedarfe chronisch kranker Menschen berücksichtigen.
Besonders interessierten uns die Themen ambulante Versorgung, Pflegeversicherung sowie Teilhabe. Leider konnten wir den für das Gesundheitswesen versprochenen Aufbruch nicht erkennen. Warum nicht? Lesen Sie selbst!
Tempo, Tempo: 17 Millionen rheumakranke Menschen brauchen einen schnellen Zugang zum Facharzt oder einer Fachärztin
Die Idee ist nicht neu: Für eine zielgerichtete ambulante Versorgung der Patientinnen und Patienten soll das Primärarztsystem verbindlich werden. Überweisungen an Fachärztinnen und Fachärzte inklusive einer Termingarantie obliegen demnach den Hausärztinnen und Hausärzten, Kinderärztinnen und Kinderärzten oder den Kassenärztlichen Vereinigungen über die 116117.
Kommen Facharzttermine innerhalb eines festgelegten Zeitkorridors nicht zustande, erfolgt die ambulante Behandlung durch Fachärztinnen und Fachärzte in Krankenhäusern. Für bestimmte schwere chronische Erkrankungen sind gesonderte Regelungen vorgesehen, wie z.B. jährliche Überweisungen oder - in Einzelfällen - der Fachinternist bzw. die Fachinternistin als steuernde Primärbehandelnde. Um welche chronischen Erkrankungen es sich dabei handelt, ist noch offen.
Menschen mit Rheuma brauchen verlässliche Versorgungsstrukturen. Dazu gehört der schnelle Zugang zum Facharzt und der Fachärztin, z. B. zur Diagnosestellung, und die anschließende lückenlose Regelversorgung. Daher müssen ausreichend rheumatologische Fachärztinnen und Fachärzte in der Versorgung zur Verfügung stehen. Dieses Problem wird im Koalitionsvertrag nicht adressiert.
Keine Kommission, sondern Pflege-Bürgerversicherung jetzt!
Die Kassen der Pflegeversicherung sind leer. Im Bundesdurchschnitt zahlen Pflegebedürftige für einen Platz in einer stationären Pflegeeinrichtung 2.780 Euro (2024) aus eigener Tasche. Das ist kaum zu bezahlen, und so ist mittlerweile ein Drittel der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen. Das darf so nicht weitergehen.
Für die im Koalitionsvertrag angekündigte Bund-Länder-Kommission haben wir in unserem Aktionsplan für rheumakranke Menschen 2025 den richtigen Vorschlag: Die Eigenanteile (EEE) werden dauerhaft begrenzt und die gesetzliche und die private Pflegeversicherung werden zu einer Pflege-Bürgerversicherung zusammengeführt. Rheumakranke Menschen brauchen keine langen Sitzungen von Kommissionen, sondern die Umsetzung bereits gut durchdachter und machbarer Ansätze.
Zu vage: Stärkung der Teilhabe
Die Koalition will das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen bekannter machen und stärken. Gut so! Dies ist eine langjährige Forderung der Deutschen Rheuma-Liga. Gerade rheumakranken Menschen kann das BEM helfen, länger am Arbeitsleben teilzuhaben.
Ansonsten bleibt der Koalitionsvertrag vage. So bekennt sich die Koalition zwar zur UN-Behindertenrechtskonvention und einer inklusiven Gesellschaft, lässt aber Taten vermissen. Denn: Wie Teilhabe flächendeckend verwirklicht werden soll, bleibt offen. Zwar will die Koalition das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) novellieren und weiterentwickeln, so dass unter anderem alle öffentlich zugänglichen Bauten des Bundes bis 2035 barrierefrei gestaltet werden. Die dringend notwendige Verpflichtung privater Anbieter, Barrierefreiheit herzustellen oder zumindest angemessene Vorkehrungen zu treffen, fehlt hingegen völlig.
Die Deutsche Rheuma-Liga wird sich nun dafür einsetzen, dass mehr Tempo in die Umsetzung der Vorhaben rund um Gesundheit, Pflege und Teilhabe kommt.
Ihre Rotraut Schmale-Grede
Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e.V.