Entzündlich-rheumatische Erkrankungen erhöhen die Gefahr für Gefäßverschlüsse. Julia Bidder, Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift "mobil", sprach mit dem internistischen Rheumatologen Prof. Klaus Krüger darüber, welche Faktoren Hausarzt, Rheumatologe und Betroffener im Blick behalten sollten
Herr Professor Krüger, erst Rheuma, dann Herzinfarkt – warum erhöhen entzündlich-rheumatische Erkrankungen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Das hat mehrere Ursachen. Der wichtigste Grund liegt in der entzündlichen rheumatischen Erkrankung selbst, genauer gesagt: in der Entzündung. Entzündliche Vorgänge im Körper – egal, ob am Zahnfleisch, im Gelenk oder irgendwo anders im Körper – begünstigen Arteriosklerose, also die Erkrankung, die zu Gefäßverschlüssen führt. Im Grunde spielen sich an der Innenwand der Blutgefäße ganz ähnliche Vorgänge ab wie an der Gelenkinnenhaut: Entzündungsfördernde Botenstoffe stellen im Gelenk den Pannus her, die wuchernde Gelenkinnenhaut. In Blutgefäßen verstärken sie sich zu Ablagerungen bis hin zum vollständigen Gefäßverschluss. Das gilt nicht nur für den Herzinfarkt, sondern auch für den Schlaganfall – auch das Risiko für Gefäßverschlüsse im Gehirn ist bei Betroffenen mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung erhöht, wenn auch nicht ganz so stark wie das für einen Herzinfarkt oder Arteriosklerose insgesamt.
Die Entzündung ist also der wichtigste Faktor. Welche weiteren Risiken kommen hinzu?
Wir haben beobachtet, dass auch die „klassischen“ Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Betroffenen mit einer rheumatischen Erkrankung häufiger vorkommen als in der Allgemeinbevölkerung. Dazu gehören eine Zuckererkrankung, Bluthochdruck, Übergewicht sowie erhöhte Blutfettwerte, also Cholesterin und Triglyceride. Eine neue Untersuchung aus Deutschland zeigt, dass Rheumabetroffene deutlich häufiger Bluthochdruck haben als die gesunde Allgemeinbevölkerung. Warum das so ist, wissen wir allerdings noch nicht.
Gibt es solche erhöhten Risiken auch bei den nicht entzündlichen rheumatischen Erkrankungen wie Arthrose oder Fibromyalgie?
Nein. Betroffene mit Arthrose haben zwar oft ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das liegt aber daran, dass sie überdurchschnittlich häufig übergewichtig sind und sich oft auch zu wenig bewegen. Schmerzverarbeitungsstörungen wie Fibromyalgie sind dagegen häufiger mit einer Depression verbunden. Das Herz-Kreislauf-Risiko von Betroffenen mit Fibromyalgie entspricht dem der normalen Bevölkerung.
Wie kann man vorbeugen?
Es gelten die allgemeinen Vorbeugemaßnahmen, die sich auch Menschen ohne rheumatische Erkrankung zu Herzen nehmen sollten: Rauchen vermeiden ist doppelte Vorbeugung, denn es kommt der rheumatischen Erkrankung und dem Herzen zugute. Auch wer sein Gewicht reduziert, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, denn Normalgewicht wirkt sich positiv auf die Gelenke und auf das Herz-Kreislauf-System aus. Eine mediterrane Ernährung wirkt sich positiv aufs Herz und auf die Gelenke aus. Und auch sich möglichst viel zu bewegen, ist doppelt nützlich. Der Patient hat also vieles selbst in der Hand und kann seine Gesundheit positiv beeinflussen. Den Rest muss der Arzt tun: Die rheumatische Erkrankung muss optimal eingestellt sein und die Entzündung möglichst verschwunden sein.
Gibt es Blutwerte, auf die Betroffene mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung besonders achten sollten?
Am wichtigsten ist natürlich die Kontrolle der Entzündung. Deshalb kontrolliert der Rheumatologe den sogenannten CRP-Wert, der ein Maß für die akute Entzündung darstellt. Dieser Wert spielt nicht nur für die rheumatische Erkrankung eine große Rolle, sondern auch für das Herz-Kreislauf-Risiko. Als internistische Rheumatologen sind wir übrigens auch dafür zuständig, uns um die klassischen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren zu kümmern.
Es ist Standard, dass der Rheumatologe auch Blutfettwerte und den Blutzucker misst sowie den Blutdruck kontrolliert. Anhand dieser Faktoren kann man gut erkennen, ob ein erhöhtes Risiko vorliegt. In unserer Praxis fragt die medizinisch-technische Assistentin außerdem nach Herzinfarkten oder Schlaganfällen in der Familie, denn auch die familiäre Veranlagung spielt eine Rolle. Ich sehe die Verantwortung für die Erhebung des Risikos beim Rheumatologen, weil der Hausarzt oft nicht weiß, dass entzündlich-rheumatische Erkrankungen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Medikamente gegen zu hohe Blutfettwerte verordnen wir in unserer Praxis selbst, aber erhöhten Blutdruck beispielsweise sollte tatsächlich der Hausarzt mit Medikamenten einstellen, weil dafür zumindest zu Beginn der Therapie eine engmaschigere Kontrolle nötig ist.
Gibt es weitere Untersuchungen, zu denen man raten sollte?
Wenn ein Betroffener ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko hat, sollte man auch die Schlagadern mit Ultraschall untersuchen, um festzustellen, ob die Arteriosklerose bereits fortgeschritten ist. In der Regel ist der Angiologe oder Kardiologe der richtige Ansprechpartner für diese Untersuchung.
Gibt es Warnsignale, bei denen man besonders aufmerksam sein muss?
An dieser Stelle gilt das, was für alle Menschen gilt: Wer Schmerzen in der Brust hat oder vermehrt Wasser in den Beinen einlagert, sollte das mit seinem Hausarzt besprechen – unter Umständen steckt hinter diesen Beschwerden eine beginnende Herzschwäche oder eine koronare Herzerkrankung. Ein Warnsignal ist es auch, wenn jemand immer wieder mal einen erhöhten Blutdruck hat. Wichtig ist, dass ein Betroffener mit erhöhtem Risiko dauerhaft beim Kardiologen mitbehandelt wird – und nicht nur einmal dorthin geht. Auch Medikamente spielen eine wichtige Rolle für das Risiko von Begleiterkrankungen.
Bei welchen Wirkstoffen sollte man bestimmte Blutwerte regelmäßig checken lassen und wie häufig?
Das hängt immer von der Dosis und der Dauer der Einnahme ab. Nichtsteroidale Antirheumatika – kurz: NSAR – werden dann problematisch, wenn man sie regelmäßig einnimmt. Wer hin und wieder zu einer Schmerztablette greift, muss sich in der Regel nicht sorgen. Weitaus problematischer ist die Therapie mit Kortison. Wir wissen, dass eine Therapie von fünf Milligramm Kortison pro Tag das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits erhöht. Ob das auch für sehr kleine Dosen von ein bis zwei Milligramm gilt, muss man noch erforschen.
Auf der anderen Seite gibt es auch gute Nachrichten: Basistherapien, die die Entzündung wirksam kontrollieren, schützen auch vor Herz-Kreislauf-Risiken. Insbesondere gilt dies für die Biologika: In neueren Untersuchungen war die Entzündungsaktivität von Betroffenen, die Biologika bekommen, so stark reduziert, dass sie auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen besser geschützt waren als Nichtbetroffene. Denn auch viele vermeintlich gesunde Menschen haben einen erhöhten CRP-Wert – oft lässt sich gar nicht herausfinden, warum – und damit erhöht sich auch die Gefahr für Arteriosklerose. An dieser Stelle schützen Biologika offensichtlich.
Die Beipackzettel für Medikamente gegen entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind oft sehr lang. Wie muss die Therapie überwacht werden, etwa durch spezielle Blutuntersuchungen?
Das hängt ganz vom Medikament ab. Bei Methotrexat etwa erfolgt die Kontrolle zu Beginn der Therapie sehr engmaschig und dann in immer größeren Abständen. Ab dem vierten Monat reicht eine Kontrolle alle vier bis sechs Wochen, wenn keine Komplikationen vorliegen, reicht bei der Langzeitbehandlung eine Kontrolle alle zwölf Wochen. Beim Blutcheck achtet der Arzt besonders auf bestimmte Laborwerte, die Leber- und Nierenprobleme anzeigen können.