168.000 Menschen – die Einwohnerzahl von Ludwigshafen – haben sich allein 2016 deutschlandweit für eine Knieprothese entschieden. Wie viele jedes Jahr darüber nachdenken, weiß niemand.
Ärzte raten im Allgemeinen zur Zurückhaltung – nach dem Motto: „Erst dann, wenn andere Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und es nicht mehr anders geht.“ Aber hilft diese Empfehlung wirklich weiter? Was ist mit „anderen Behandlungsmöglichkeiten“ gemeint – und welche sind das? Und wann „geht es nicht mehr anders“? Wissenschaftliche Studien wie die der Bertelsmannstiftung zeigen, dass sich Betroffene je nach Bundesland und Region sehr unterschiedlich entscheiden. In Bayern gibt es Landkreise, in denen sich fast 3,5-mal so viele Menschen für eine Prothese entscheiden als in Potsdam.
Überall in Deutschland ist ein starker Anstieg bei Patienten unter 60 zu verzeichnen. Geht man davon aus, dass es in diesem Zusammenhang keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Bayern und Brandenburgern gibt, zeigen die Zahlen, dass es keine harten Kriterien für eine Operationsindikation gibt. Die Zufriedenheitsraten stimmen nachdenklich: Nur 43 Prozent der Patienten sind nach einer Studie der Barmer GEK mit ihrer Prothese zufrieden. Auch sechs Jahre nach der Operation nehmen 30 Prozent der Behandelten noch Schmerzmedikamente. Schwer zu glauben, dass alle Patienten sich in Kenntnis dieser Ergebnisse für eine Operation entschieden hätten. Offensichtlich sind die Erwartungen höher als die tatsächlich eingetretenen Therapieeffekte.
Was passiert eigentlich bei einer Operation?
Vielleicht verstehen auch viele Patienten zunächst nicht, was beim Einsetzen einer Knieprothese oder genauer eines (bicondylären) doppelseitigen Gelenkflächenersatzes wirklich passiert. Zwar ersetzen Metallgelenkflächen mit Kunststoffpuffern (Inlays) verschlissene Knorpelflächen und beenden damit die eigentliche Ursache der Schmerzen, gleichzeitig werden aber die Kreuzbänder und somit die zentralen Stabilisatoren gleich mit entfernt.
Darüber hinaus fehlen nach der Operation wichtige Gelenkrezeptoren, sodass die „Propriozeption“ – also das „Eigenwahrnehmungsgefühl“ – für Gelenk und Bewegung Schaden nimmt. Die Propriozeption ist eine wesentliche Voraussetzung für die Stabilität des Gelenkes, die im Übrigen durch Muskeln, Sehnen und Bändern gewährleistet wird. Krankheitsbedingt ist bei einer Gelenkerkrankung die Stabilität ohnehin schon vor der Operation beeinträchtigt. Wenn es nicht gelingt, diese nach der Operation durch Rehamaßnahmen hinreichend zu bessern, tauchen dauerhafte Probleme auf.
Was bedeutet das alles für Menschen, die vor einer Operation stehen?
Um Missverständnissen vorzubeugen, gilt zunächst:
- Ärzte können nur Therapiemöglichkeiten aufzeigen, die Abwägung Schmerzbeseitigung gegen eventuelle zusätzliche Einschränkungen und deren mögliche Konsequenzen für den jeweiligen Alltag können nur Sie treffen. Von daher sind OP-Empfehlungen immer kritisch zu hinterfragen.
- Sie müssen sich über Ihre Erwartungen im Klaren sein.
- Eine Gelenkprothese ist kein „neues natürliches Gelenk“ – der Gesundheitszustand wird nicht wie vor Eintritt der Erkrankung sein.
- Wie groß sind Ihre Erwartungen im Hinblick auf Bewegung?
- Treiben Sie Sport, wenn ja, welchen? Bestimmte Sportarten (zum Beispiel Ballsportarten wie Tennis, Volleyball et cetera) sind nicht zu empfehlen.
- Was machen Sie beruflich? Körperlich fordernde Berufe wie Maurer, Pflasterer, Dachdecker, Kfz-Mechaniker et cetera sind bei Knieprothesen ungeeignet.