Beim EULAR-Kongresses in Kopenhagen hat auch PARE, der Zusammenschluss der europäischen Patientenorganisationen, getagt. Inspiration und das Lernen von den Erfahrungen anderer Länder werden dort großgeschrieben.
Corinna Elling-Audersch ist Vizepräsidentin der Deutschen Rheuma-Liga. Sie hat am EULAR-Kongress sowie den PARE-Sessions teilgenommen und hielt einen Vortrag über die Bedürfnisse Rheumabetroffener während der Pandemie – und wie die Rheuma-Liga darauf reagiert hat.
An dieser Stelle berichtet sie, welche Erfahrungen und Inspirationen sie aus Kopenhagen mitgenommen hat:
Every journey starts with the first step! – auf Deutsch: Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt!, betonte der ehemalige EULAR-Präsident Iain McInnes. Diese Worte treffen den Kern aller PARE-Sessions. Die europäische Patientenorganisationen sind alle unterschiedlich organisiert und jede auf ihrer Ebene unterwegs.
Gemeinsam versuchen wir alle, unsere Mitglieder auf dem Weg der langen Reise mit einer rheumatischen Erkrankung zu unterstützen, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft und der Politik auf die Nöte und Erfordernisse zu lenken, die Forscher und Wissenschaftler immer wieder daran zu erinnern, einen gemeinsamen partizipativen Weg mit uns zu bestreiten.
In diesem nun bereits dritten Jahr der Pandemie ging es in vielen Vorträgen darum, wie man mit Mitgliedern in Kontakt bleiben, neue Mitglieder gewinnen und einen Austritt verhindern kann. Eine allgemeine Energielosigkeit gerade im Ehrenamt zieht sich durch alle Organisationen. Ziel ist es, gegenzusteuern, mehr Freude am Ehrenamt zu vermitteln und es den engagierten Freiwilligen so leicht wie möglich zu machen.
Dänemark: Ehrenamtliche rund um die Uhr unterstützen
Wie das gelingen kann, zeigte zum Beispiel ein Vortrag aus Dänemark: Vorgestellt wurde eine landesweite App für Ehrenamtler. Ziel ist es, den Freiwilligen ihr Engagement so leicht wie möglich zu machen.
Eine Strategie bestand darin, den Austausch direkt zwischen den Ehrenamtlichen zu fördern, damit auch nach dem Dienstschluss der Hauptamtlichen in der Geschäftsstelle Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Ein spezielles Netzwerk in Dänemark richtet sich auch direkt an Betroffene im mittleren Alter, die interessiert am Austausch sind, aber aufgrund ihrer Lebenssituation (Familie, Job, eigene Erkrankung) nicht so viel Zeit für regelmäßige Treffen und Selbsthilfearbeit haben.
Niederlande: Plädoyer für Bewegung
Zum Thema Ernährung und Bewegung kamen klare Appelle von niederländischen PARE-Teilnehmern: Physische Aktivität ist mehr als bloße Bewegungsübung! Demnach ist jegliche körperliche Bewegung im Alltag hilfreich.
Betroffene sollten gemeinsam mit dem Physiotherapeuten herausfinden, welche Alltagbewegungen möglich sind, und schauen, ob man sie ausbauen oder weiterentwickeln kann. Dabei sind natürlich individuelle Vorlieben, aber auch Einschränkungen und persönliche Erfahrungen zu berücksichtigen. Fazit: „Beweg dich so, wie es dir Freude macht und was dich motiviert, und nutze die Freude, die Bewegung in der Gruppe macht!“
Portugal: Komorbiditäten im Blick halten
Aus Portugal kam die Beobachtung, dass die meisten Ärzte Begleiterkrankungen übersehen oder nicht genügend beachten. Zu diesen sogenannten Komorbiditäten gehören etwa Depression, Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie belasten die Lebensqualität der Betroffenen enorm.
Fazit: Kümmere dich um deine Komorbiditäten und schaue hinter die offensichtlichen Dinge deiner rheumatischen Erkrankung! Kenne deine Medikamente und deren Risiken und lass dich gegen viele Risiken impfen, etwa gegen Covid-19, Herpes Zoster, Grippe oder Pneumokokken.
Irland: Trage Rot für Vaskulitis
Eine interessante landesweite Kampagne hat Irland vorgestellt: Wear Red for Vaskulitis, auf Deutsch: Trage Rot für Vaskulitis. Ziel war es, die Aufmerksamkeit für Vaskulitis zu erhöhen. Viele Betroffene trugen die Farbe Rot als Zeichen der einwöchigen Kampagne. Außerdem wurden jeden Tag neue Fakten und Geschichten auf Social-Media-Kanälen wie Facebook veröffentlicht und so im ganzen Land verteilt.
Europa: Das Aschenputtel-Sjögren
Das Sjögren-Syndrom ist immer noch das Aschenputtel unter den rheumatischen Erkrankungen, betonte Alice Grosjean, Präsidentin von Sjögren Europe, einer europäischen Vereinigung betroffener Patienten. Zu den Mitgliedern gehören Mitgliedsvereinigungen aus Belgien, England, Finnland, Frankreich, Griechenland, Israel, Norwegen, den Niederlanden, Spanien und der Schweiz sowie Rumänien.
Es gibt immer noch keine angemessenen Behandlungsmethoden. Beste Erfolge versprechen die Therapie in einem multidisziplinären Behandlungsteam. In der Forschung wird der Focus auf eine gezieltere Diagnostik gesetzt. Ein Lichtblick: Seit drei Jahren unterstützt Sjögren Europa europaweit Betroffene, mit dieser seltenen Erkrankung besser umzugehen, und ermutigt sie, das Sjögren-Syndrom sichtbarer zu machen.
Deutschland: Transition made in Germany
Die Diplom-Psychologin Melanie Gräßer berichtete von den guten Erfahrungen der Deutschen Rheuma-Liga mit ihrem Transitionsprojekt. Denn der Wechsel von rheumabetroffenen Jugendlichen zum Erwachsenenrheumatologen und der Weg ins selbstständige Leben und eigenständige Krankheitsmanagement ist immer noch ein Problem. Die Deutsche Rheuma-Liga hilft zum einen mit Transition-Camps für Jugendliche.
Zum anderen gibt es Eltern-Coach-Seminare, die Müttern und Vätern betroffener Kinder dabei helfen, loslassen zu lernen. Natürlicherweise besteht das Kind einerseits auf einem selbstbestimmten und selbstständigen Leben. Auf der anderen Seite braucht es jedoch punktuell mehr oder weniger Hilfe und Unterstützung. Melanie Gräßer stellte unter anderem die speziellen Fragebögen für Eltern und Kinder vor. Außerdem schließen die Jugendlichen Verträge mit sich selbst ab – eine klassische Komponente des Selbstmanagements.
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 5-2022. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift kostenlos direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).