Das American College of Rheumatology richtet den berühmtesten Rheumatologiekongress weltweit aus. Prof. Stefan Schewe ist internistischer Rheumatologe und fasst wichtige Neuigkeiten für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen zusammen.
Alarmzeichen aus der Leber
Ein häufig bestimmter Leberwert könnte als Alarmzeichen für einen kommenden Schlaganfall oder Herzinfarkt dienen. Das zeigt eine französische Studie an 720 Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA). Dabei handelt es sich um den sogenannten GGT-Wert, der eine Ausscheidungsstörung für Galle in der Leber anzeigt. Verbindet man diesen Wert mit dem Krankheitsaktivitätswert DAS28, entsteht ein wichtiger Vorhersagewert für ein Herz-Kreislauf- Ereignis wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Keine solche Vorhersagekraft gab es bei dem Krankheitswert DAS28 allein.
Fazit: GGT ist ein Leberwert, der bekannterweise erhöht ist bei vermehrtem Alkoholkonsum, Rauchen, hohem Blutdruck, Diabetes mellitus, hohem Cholesterin, starkem Übergewicht. Ein Teil dieser Risikofaktoren kann eine Fettleber begünstigen. Alle diese Risikofaktoren erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für Betroffene mit rheumatoider Arthritis kommt die Entzündungsaktivität dieser Erkrankung hinzu. Der GGT-Wert könnte künftig ein wichtiger Indikator sein, der ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko anzeigt. (AB0894)
Nutzloses Nahrungsergänzungsmittel
Nahrungsergänzungsmittel mit einem Gramm Curcumin aus Ingwer in Kombination mit fünf Milligramm Piperin aus Pfeffer können nicht dazu beitragen, die Basistherapie bei RA zu reduzieren. Das zeigt eine Studie an RA-Patienten in Remission, bei denen die Krankheitsaktivität also gering war, und die Methotrexat (MTX) erhielten.
Das Nahrungsergänzungsmittel verkürzte weder die Zeit, die man zur langsamen Dosisverringerung braucht, noch verlängerte es den Zeitraum bis zu einem Rheumaschub. Die Beobachtung war unabhängig davon, ob die Basistherapie MTX, Leflunomid, Hydroxychloroquin oder Sulfasalazin war.
Fazit: Curcumin wird immer wieder zur Schmerzlinderung bei RA-Betroffenen eingesetzt. Allerdings wird die Krankheitsaktivität wohl entweder nur geringfügig oder gar nicht reduziert. (AB1587)
Auch wenig Kortison schadet den Knochen
Eine italienische Langzeitstudie hat 884 Frauen mit entzündlichen Rheumaerkrankungen über sechs Jahre hinweg beobachtet. Alle erhielten eine niedrige Dosis Kortison, also 2,5 bis fünf Milligramm Prednisolon täglich. Ihre Werte wurden mit 1.766 gesunden Kontrollpersonen verglichen. Ergebnis: Auch die niedrige Kortisongabe erhöhte das Risiko für Osteoporose. Eine gleichzeitige Therapie mit einem Bisphosphonat unterdrückte dieses Risiko in der Studie.
Fazit: Jedes Milligramm Kortison mehr erhöhte das Langzeitrisiko für eine Osteoporose bei Frauen. Deshalb sollte man Kortison möglichst nur kurzfristig einsetzen. Das gilt auch für vermeintlich niedrige Dosen. Allerdings ist diese Studie eine Fall-Kontroll-Beobachtungsstudie und hat damit nur eine begrenzte Aussagekraft. Weitere Studien müssen zeigen, ob es sinnvoll ist, bei Kortisongabe gleichzeitig prophylaktisch eine Osteoporosetherapie zu geben, etwa mit Bisphosphonaten. (ABL01)
Psoriasis-Arthritis: Frauen leiden anders
Bei Psoriasis-Arthritis (PsA) haben Männer und Frauen offenbar unterschiedliche Symptome und sprechen unterschiedlich auf Therapien an. Das zeigt eine deutsche Studie an 166 Betroffenen, 42 davon waren Frauen. Bei Frauen mit aktiver Erkrankung waren die Haut und die Sehnenansätze stärker beteiligt als bei Männern.
Bei der Beteiligung der Gelenke und beim Schmerz gab es keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Der Interleukin-12/23-Blocker Ustekinumab verbesserte die Erkrankung bei Männern stärker als bei Frauen. MTX als Zusatz hatte nur bei Männern einen Nutzen, bei Frauen verringerte die Gabe von MTX sogar den Nutzen von Ustekinumab.
Fazit: Es ist bekannt, dass die Kombination von MTX und Biologikum bei Psoriasis-Arthritis keinen Zusatznutzen hat. In dieser Studie war die Wirksamkeit von Ustekinumab durch MTX sogar herabgesetzt. Insgesamt wirkt Ustekinumab bei Männern besser als bei Frauen auf alle Ausprägungen der Erkrankung wie Gelenkentzündungen, Probleme mit den Sehnenansätzen und Schmerzen. (AB1601)
Vorsicht, Lungenkrebs!
RA-Betroffene mit interstitieller Lungenbeteiligung haben ein dreifach erhöhtes Risiko für die Entstehung von Lungenkrebs im Vergleich zu Gesunden. Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Registerstudie aus den USA. Die Analyse berücksichtigte bekannte Risiken, darunter zum Beispiel genetische Faktoren und Rauchen.
Fazit: Rheumatoide Arthritis erhöht nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Durchblutungsstörungen der Beine. Mit der Erkrankung geht auch ein erhöhtes Risiko für Krebs einher. Ist zusätzlich die Lunge beteiligt, steigt dieses Risiko deutlich an.
Es ist also unbedingt erforderlich, bei dieser Hochrisikogruppe alle sonstigen Risiken zu vermeiden (Luftverschmutzung, Rauchen etc.). Außerdem sollte der behandelnde Arzt regelmäßig auch in Richtung Lungenkrebs abklären, um im Fall einer Erkrankung rasch eine Therapie zu starten. Aufmunternd ist, dass Betroffene mit Autoimmunerkrankung und Lungenkrebs eine bessere Prognose als Lungenkrebspatienten ohne diese Erkrankung haben. (AB0178/AB1647)
Riesenzellarteriitis sicher diagnostizieren
Eine wissenschaftlich hochwertige Studie hat Diagnosekriterien für eine Riesenzellarteriitis zu einem Score zusammengefasst, der offenbar mit hoher Genauigkeit das Vorliegen dieser Erkrankung bestimmen kann. Bei dieser Erkrankung entzünden sich die großen Gefäße, meist Arterien. Zu den Diagnosekriterien gehören Alter (deutlich) über 50, Gelenkschmerzen in beiden Armen und Beinen, ausgeprägte Morgensteifigkeit und hohe Entzündungswerte im Labor.
Entzünden sich die großen Arterien zum Kopf, droht die Gefahr zu erblinden. Die Wissenschaftler teilten die 226 Betroffenen mit dem Verdacht auf diese Erkrankung in drei Gruppen ein – eine mit niedrigem Risiko, mit mittlerem und hohem Risiko. Unter anderem flossen folgende Auffälligkeiten in den Wert ein: Alter 70 bis 75, neuer andauernder Kopfschmerz, Kauschmerz, Sehstörung (plötzlicher Sehverlust, Doppelbilder), Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber, Polymyalgia-rheumatica-Symptomatik (PMR), derbe Schläfenarterien ohne Puls. Bei allen wurde der Ultraschall der hirnversorgenden Arterien durchgeführt. Ergebnis: Der errechnete Wert konnte das Vorliegen einer Riesenzellarteriitis in 96 Prozent richtig voraussagen.
Fazit: Bei diesem häufigeren Krankheitsbild im höheren Alter kommt es sehr darauf an, einmal die genannten Symptome zu erfragen und bei Häufung der Symptome die Entzündungswerte im Labor bestimmen zu lassen. Meist ist die Riesenzellarteriitis gut mit Kortison behandelbar, was auch die drohende Erblindung verhindern kann. Möglichst sollte eine Ultraschalluntersuchung der Gefäße erfolgen, oder es sollten wenigstens die Hauptarterien zum Kopf auf Strömungsgeräusche abgehört werden.
Vor der Gabe von Kortison müssen die Entzündungswerte CrP, Blutbild und möglichst auch die Blutsenkung bestimmt werden. Ansonsten kann die Diagnose nicht gestellt werden, was womöglich dazu führt, dass die Patientin oder der Patient Kortison über lange Zeit erhält, ohne dass es nötig ist. (AB1620)
Ultraschall als Bildgebung für Riesenzellarteriitis
Eine weitere Studie beschäftigte sich mit der Frage, welche bildgebenden Verfahren zur Diagnose einer Riesenzellarteriitis sinnvoll sind – Ultraschall, Kernspintomografie (MRT) und PET-CT (spezielle Computertomografie mit radioaktiv markiertem Kontrastmittel). Ergebnis: Ultraschall und Kernspin lieferten eine sichere Diagnose, wenn die Blutgefäße des Kopfs betroffen waren. Das PET-CT fand sie sicher, wenn vor allem andere Gefäße zusätzlich betroffen waren.
Fazit: Bei Verdacht auf Riesenzellarteriitis bei Älteren ist vor allem die Klinik wichtig, also Symptome, Untersuchungsbefunde und das Labor. Der frühe Einsatz bildgebender Verfahren ist sehr sinnvoll und sollte möglichst innerhalb von fünf Tagen nach dem meist plötzlichen Beginn der Beschwerden erfolgen. Dabei ist der Ultraschall die am einfachsten und meist auch am schnellsten verfügbare Methode, die zuerst erfolgen sollte. Nur bei weiterer Unklarheit kommen die anderen Verfahren zum Tragen. Eine frühzeitige Bildgebung ist sinnvoll, da die Therapie mit Kortison rasch beginnen muss, um eine mögliche Erblindung zu vermeiden. (AB1617)
Lupus: Therapietreue ist wichtig
Hydroxychloroquin ist eine wichtige Erstlinientherapie beim systemischen Lupus erythematodes (SLE). Jeder Betroffene mit Hinweisen auf diese Erkrankung sollte damit behandelt werden. Lässt man diese Therapie weg – Ärzte sprechen von Nicht-Adhärenz –, wird die Krankheit aktiv: Es kommt zu mehr Schüben und der Schaden an unterschiedlichen Organen nimmt zu – und zwar umso stärker, je länger auf das Medikament verzichtet wird. Eine internationale, multizentrische, prospektive Kohortenstudie an 31 Zentren in elf Ländern bei 1.849 Betroffenen über fünf Jahre hinweg zeigt eine deutliche Erhöhung der Lupusschübe, wenn keine Therapie erfolgte.
Pro Jahr ohne Behandlung steigt zudem der messbare Schaden an unterschiedlichen Organen in den ersten drei Jahren der Beobachtung. In der Studie kam es sogar zu Todesfällen bei Personen, die die Therapie abgelehnt hatten. Um zu messen, ob die Betroffenen Hydroxychloroquin wie verordnet eingenommen hatten, maßen die Ärzte die Serumspiegel des Medikaments im Blut.
Fazit: Hydroxychloroquin ist ein wichtiges, prophylaktisch wirkendes Medikament bei Lupus, denn es verhindert Schäden an Organen. Zu hohe Dosierung über lange Zeit führt zu Schäden an den Augen, weshalb spätestens nach vier Jahren Therapie regelmäßige Kontrollen beim Augenarzt erfolgen sollten. Dort ist die sogenannte OCT-Untersuchung des Augenhintergrunds nötig. Eine zu niedrige Dosierung von Hydroxychloroquin dagegen führt zu mehr Schüben mit Krankenhausaufenthalten. Vor allem das Absetzen führt zu Organschäden. Davon können Niere, Lunge, Herz, Nervensystem, Haut, Blutbildung und anderes betroffen sein. Die Autoren schlagen Spiegelmessungen im Blut zur Kontrolle der Therapie vor, wenn Ärzte den Verdacht haben, dass die Patientinnen oder Patienten den Wirkstoff nicht einnehmen. (AB0343)
Folsäure hemmt Wirkung von Methotrexat
Die zusätzliche Gabe von Folsäure zu Methotrexat (MTX) vermindert die Wirksamkeit von MTX. Dieses nicht so neue Ergebnis zeigt eine retrospektive Analyse aus Italien von 184 RA-Betroffenen, die eine MTX-Therapie begonnen hatten, davon 96 mit zusätzlicher Folsäure, 88 ohne. Die Krankheitsdauer lag im Schnitt bei 30 Monaten, die mittlere MTX-Dosis am Beginn lag bei 8,9 Milligramm pro Woche und wurde bis auf 20 Milligramm pro Woche gesteigert. Nach drei Monaten zeigte sich, dass die Betroffenen aus der Folsäuregruppe weniger gut auf die MTX-Therapie ansprachen. Allerdings hatten sie auch geringere Nebenwirkungen wie Anstieg der Leberwerte und Übelkeit oder andere Magen-Darm-Nebenwirkungen.
Fazit: Die Analyse der Nebenwirkungen zeigt, dass die meisten Nebenwirkungen nicht gravierend sind und sich durch Folsäure vermeiden lassen. Die Autoren der Studie schließen daraus, dass man eine MTX-Therapie ohne Folsäuregabe starten sollte. Folsäure sollte man erst dann geben, wenn Nebenwirkungen auftreten. (AB0930)
Sjögren-Syndrom: Lungenbeteiligung ja – aber anders
Unter dem primären Sjögren-Syndrom versteht man ein seltenes Krankheitsbild, das vor allem durch ausgeprägte Schleimhauttrockenheit gekennzeichnet ist. Meist sind die Tränendrüsen betroffen sowie die Mundschleimhaut und die genitalen Schleimhäute. Das Sjögren-Syndrom kann aber auch als Beteiligung der Schleimhäute bei einer anderen Autoimmunerkrankung auftreten (sekundäres Sjögren-Syndrom). Norwegische Wissenschaftler haben über 700 Betroffene mit einem primären Sjögren-Syndrom im Mittel über 15 Jahre hinweg untersucht. 67 Prozent von ihnen hatten eine Mitbeteiligung der Lunge. Allerdings schritt diese, wenn überhaupt, dann nur sehr langsam voran.
Fazit: Beim primären Sjögren-Syndrom kann es zu einer Lungenbeteiligung kommen, meist unter dem Bild einer sogenannten lymphozytären interstitiellen Pneumonie. Sie verläuft also anders als zum Beispiel bei RA oder Sklerodermie. Meist ist die Lungenbeteiligung mit den üblichen antientzündlichen Basistherapien gut zu kontrollieren. Betroffene sollten jedoch regelmäßig im Hinblick auf die Lunge untersucht werden.
Hinweis: Mit den angegebenen Nummern kann man die englischsprachigen wissenschaftlichen Abstracts finden unter https://acrabstracts.org. Dort unter „Advanced Search“ das Fenster „Search by Abstract Number“ nutzen und dann nur die Nummer eingeben (ohne „AB“).
Autor: Prof. Stefan Schewe ist internistischer Rheumatologe in München und Ebersberg, ärztlicher Berater der Mitgliederzeitschrift "mobil" und Vorstandsmitglied der Deutschen Rheuma-Liga.
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 2-2023. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift kostenlos direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).