Geht es nach vielen Versicherungsberatern, kann ein Mensch gar nicht genug Versicherungen abschließen. Aber brauchen Verbraucher wirklich jede Police, die angeboten wird?
Julia Alice Böhne, Pressereferentin beim Bund der Versicherten e. V., formuliert ihre Empfehlungen wie folgt: „Wir raten, vor allem solche Risiken abzusichern, die existenziell sind. Darunter verstehen wir alles, was die wirtschaftliche Existenz bedrohen könnte.“ Der Bund der Versicherten ist unabhängig von den Versicherern und berät seit 1982 seine Mitglieder rund um Versicherungsfragen und -policen.
Niemals ohne Krankenversicherung und Haftpflicht
Ebenfalls sehr versiert in Versicherungsfragen sind die Verbraucherzentralen der Bundesländer, die gegen eine überschaubare Gebühr beraten. Der Bund der Versicherten und die Verbraucherzentralen zeigen sich einig: Ohne Haftpflicht- und Krankenversicherung geht gar nichts. Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen empfiehlt chronisch Kranken, bei Krankenkassen das Kleingedruckte akribisch zu vergleichen. Einige vermitteln Termine in der Facharztpraxis, andere bezuschussen vielfältige naturheilkundliche Therapien, bei vielen gibt es spezielle Präventionsangebote. Hier gilt es, zu prüfen, was individuell am wichtigsten ist.
Zusätzliche Policen diverser Krankenversicherer sind optional möglich, etwa für stationäre Aufenthalte, damit eine chefärztliche Behandlung gewährleistet ist. Bei ihnen sowie wenn es um den Abschluss einer privaten Krankenversicherung geht, empfiehlt Böhne die wahrheitsgemäße Beantwortung aller Gesundheitsfragen: „Hier sollte man sich auch ärztlich unterstützen lassen.“
Trau, schau wem: Lebensversicherung
Für viele bedeutet das frühe, krankheitsbedingte Ausscheiden aus dem Berufsleben harte Einschnitte im Lebensstandard. Eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung kann vorbeugen. Ab Diagnosestellung einer chronischen Erkrankung ist eine solche Police allerdings schwer zu bekommen, denn es gilt, umfangreiche Fragen zum Gesundheitszustand zu beantworten. „Alle Risiko- und Gesundheitsfragen im Antrag müssen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet werden“, informiert Julia Alice Böhne.
Das Versicherungsunternehmen entscheidet dann, ob der Antrag abgelehnt oder mit Leistungsausschlüssen für bestimmte Erkrankungen angenommen wird. In manchen Fällen erhöht der Versicherer die Beiträge bei höherem Risiko. Viele Sicherheitsbewusste setzen alternativ oder zusätzlich auf Risikolebensversicherungen, die im Todesfall die Hinterbliebenen absichern.
Das ist vor allem dann wichtig, wenn ein Kredit für eine Immobilie offen ist. Auch hier gibt es in der Regel eine Gesundheitsprüfung vor Abschluss der Versicherung. Für viele mit einer rheumatischen Erkrankung sind durchaus attraktive Policen möglich.
Haus, Auto, Reisen nicht vergessen
Immobilien, Autos und bei entsprechenden Sachwerten auch der Hausrat sollten versichert sein – da sind sich Böhne und Weidenbach einig. Und wer auf Reisen geht, sollte – vor allem mit chronischer Erkrankung – unbedingt an einen umfassenden Versicherungsschutz denken. So kommt eine Auslandskrankenversicherung für den medizinischen Rücktransport aus dem Ausland auf, für den die gesetzlichen Krankenkassen nicht und die privaten nicht immer bezahlen.
Außerhalb der Europäischen Union und auf hoher See, etwa bei Kreuzfahrten, übernehmen gesetzliche Krankenversicherungen in der Regel keine Behandlungen – hier greift ebenfalls die Auslandskrankenversicherung. Diese ist in der Regel unkompliziert abzuschließen.
„Für Menschen mit chronischen Krankheiten kann es vorteilhaft sein, vor Reisebeginn die eigene Reisetauglichkeit ärztlich mit einer Reiseunbedenklichkeitsbescheinigung attestieren zu lassen und mit dem Versicherer den Versicherungsschutz zu klären“, informiert Böhne. „Denn in vielen Vertragsbedingungen ist der Versicherungsschutz für chronisch kranke Menschen
eingeschränkt.“
Elke Weidenbach steuert folgende Erfahrung bei: „Es gibt Anbieter, die auch bei chronischen Erkrankungen zahlen, nämlich dann, wenn in den vorangegangenen sechs Monaten keine akute Behandlungsbedürftigkeit eintrat. Bei Abschluss des Vertrages sind hier die Bedingungen explizit zu beachten.“
Pflege im Blick – zusätzliche Vorsorge
Bleibt im monatlichen Budget noch Luft, ist eine private Pflegezusatzversicherung eine Überlegung wert. „Sie ist dann sinnvoll, wenn man wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Mehrausgaben bei Pflegebedürftigkeit durch Alterseinkünfte und Vermögenswerte zu decken“, informiert Böhne. Den besten Schutz zur Absicherung der Pflegebedürftigkeit biete eine ungeförderte Pflegetagegeldversicherung etwa von privaten Krankenversicherungen.
„Diese Variante leistet den vertraglich vereinbarten Tagessatz als Monatsleistung in Abhängigkeit vom Pflegegrad, wenn der Versicherungsnehmende aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich dauerhaft pflegebedürftig ist – und zwar unabhängig von den tatsächlich entstandenen Pflegekosten.“
Staatlich geförderte Pflegezusatzversicherungen, zum Beispiel der „Pflege-Bahr“, „sind in ihren Leistungen eingeschränkter und allenfalls als Ergänzung zur ungeförderten Pflegetagegeldversicherung geeignet.“ Aber Achtung: Wer bereits einen Pflegegrad hat, kann diese Versicherung in der Regel nicht mehr abschließen. Meist finden sich im Antrag Fragen zum Gesundheitszustand, die wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden müssen. Häufig gelten bei Pflegezusatzversicherungen Wartezeiten für die Inanspruchnahme von Leistungen – je nach Tarif zwischen ein und drei Jahren. Wird der Versicherte während dieser Zeit pflegebedürftig, bekommt er erst nach Ablauf der Wartezeit das vereinbarte Pflegegeld.
Finger weg! Was niemand braucht
Es gibt jedoch auch Versicherungen, die ihr Geld keinesfalls wert sind. Sterbegeldversicherungen zum Beispiel, von denen beide Expertinnen abraten. „Die Sterbeversicherung ist lediglich eine geldzehrende Kapitallebensversicherung“, verdeutlicht Böhne. „Man zahlt bei langer Laufzeit häufig mehr ein, als die Hinterbliebenen herausbekommen.“ Ihr Tipp: „Wer für die eigene Bestattung vorsorgen und Angehörige entlasten will, solle das lieber mit einer rechtzeitigen Geldanlage ohne Versicherungsmantel tun.“ Weidenbach hat eine weitere Warnung parat.
„Von Handyversicherungen raten wir im Allgemeinen gänzlich ab.“ Ebenfalls ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten kapitalbildende Lebensversicherung, Restschuldversicherung, Ausbildungsversicherung, Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr, Haushaltsgeräte- und Garantieversicherung, Reisegepäckversicherung, Reiserücktrittversicherung, Krankenhaustagegeldversicherung und Kleinstversicherungen wie Brillen-, Ticket- und Sportgeräteversicherung.
Allen, die ihren Versicherungsschutz aktuell auf den Prüfstand stellen, legt Julia Alice Böhne Folgendes ans Herz: „Achten Sie stets auf die Leistungen und dass diese Ihrem individuellen Absicherungsbedarf entsprechen. Die Höhe der Prämie sollte bei der Wahl der Versicherung nicht im Vordergrund stehen: Alle Ersparnis ist sinnlos, wenn die Versicherung im Schadenfall nicht oder nicht ausreichend leistet.“
Autorin: Petra Plaum
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 3-2024. Sechs Mal im Jahr erhalten nur Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift (jetzt Mitglied werden).