Rheumabetroffene individuell behandeln und Rheuma vielleicht eines Tages heilbar machen – das ist die Mission vieler Wissenschaftler und Forscherinnen. Julia Bidder, Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift "mobil" (jetzt Mitglied werden) sprach darüber mit Prof. Gerhard Krönke von der Charité in Berlin.
Prof. Krönke, wie sind Sie zur Rheumatologie gekommen?
Nach meinem Studium und meiner Promotion hatte ich die Möglichkeit, eine klinische Ausbildung zu machen. Was mich dabei immer besonders interessiert hat, war die innere Medizin und ganz besonders die Immunologie. Da ist die Rheumatologie die nächstgelegene klinische Disziplin.
Was fasziniert Sie so am menschlichen Immunsystem?
Das Immunsystem ist eins der komplexesten Systeme im Körper, vom zentralen Nervensystem einmal abgesehen. Es übernimmt vielfältige Aufgaben, nicht nur die Infektabwehr, sondern auch die Abwehr von bösartigen Zellen, aus denen sich Tumore entwickeln können. Es hat eine wichtige Bedeutung für alle Organsysteme – nicht nur für die Gelenke. Bei vielen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist der gesamte Organismus mitbetroffen.
Außerdem wurden und werden die Therapiemöglichkeiten immer besser. Ich sehe da viel Potenzial.
Sie hatten eine Professur für translationale Immunologie. Was versteht man darunter?
Diese Stellung hatte ich in Erlangen inne, das war von 2016 bis 2023. Translation bedeutet Umsetzung – es geht darum, wissenschaftliche Erkenntnisse in die klinische Anwendung umzusetzen. Jetzt bin ich an der Charité in Berlin und am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum, wo ich mir ein Büro mit Prof. Eike Latz teile (siehe Interview "Wir wollen die Medizin revolutionieren").
Das kann man sich schon ein bisschen wie in einer Wohngemeinschaft vorstellen.
Wie teilt sich Ihre Arbeitszeit auf?
Ein Drittel der Zeit bin ich in der Versorgung von Patientinnen und Patienten tätig, ein Drittel mit Forschung beschäftigt und ein Drittel geht für Organisatorisches drauf.
Wo sehen Sie die größten Fortschritte in der Rheumatologie?
Es gibt vielversprechende neue Möglichkeiten, etwa die sogenannte Car-T-Zelltherapie, aber auch neue Antikörper und neue immunmodulierende Wirkstoffe, die zurzeit in der Entwicklung sind. Viele dieser Therapien kommen aus der Krebsmedizin.
Bei der Car-T-Zelltherapie werden Patientinnen und Patienten zunächst körpereigene T-Zellen entnommen. Im Reagenzglas werden diese mit einem sogenannten chimären Antigenrezeptor ausgestattet, dafür steht die Abkürzung CAR. Tragen Körperzellen bestimmte Merkmale auf ihrer Oberfläche, auf die dieser Rezeptor passt, werden sie von den T-Zellen zerstört.
In der Krebstherapie lernt das Immunsystem damit, wieder auf die bösartigen Krebszellen zu reagieren, und kann so Tumore vernichten. Es war naheliegend, dass dies auch bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen funktioniert. Bislang wurden schon über 100 Betroffene auf diese Weise behandelt. Sie hatten systemischen Lupus erythematodes, systemische Sklerose oder andere Autoimmunerkrankungen.
Wie kommen Betroffene an diese Therapie?
Im Moment ist dies nur im Rahmen einer klinischen Studie möglich. Die CAR-T-Zelltherapie kommt nur infrage, wenn Medikamente die Entzündung nicht eindämmen können.
Mit welchen Nebenwirkungen muss man dabei rechnen?
Bei der Behandlung von Krebs mit CAR-T-Zellen sind Lymphome aufgetreten. Allerdings haben die Betroffenen oft schon vor der Therapie entartete Zellen, die solche Lymphome bilden können. Bei Autoimmunerkrankungen ist das weniger wahrscheinlich.
Wann wird Rheuma heilbar sein?
Das ist wirklich schwer zu sagen, aber vielleicht schon in etwa zehn Jahren, wenn wir weiter so gute Fortschritte machen und etwaige Nebenwirkungen gut handhabbar sind. Die Car-T-Zelltherapie kann es Betroffenen tatsächlich ermöglichen, gesund zu sein, ohne dass sie Medikamente nehmen müssen. Der Trend geht zu einer individualisierten Medizin, einer Präzisionsmedizin, bei der wir nicht mehr die Erkrankung behandeln, sondern den Menschen ganz individuell.
Was treibt Sie an?
Ich hoffe auf ein besseres Verständnis von immunologisch bedingten Krankheiten und deren künftige Heilung. Mir gefällt die Vielseitigkeit in meinem Job, dass ich mit unterschiedlichen Menschen zusammenkomme – und, dass ich die Möglichkeit habe, etwas zu bewegen.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Tatsächlich lässt mir die Arbeit keine Zeit für echte Hobbys. Wir haben drei Kinder. Wenn man so will, ist die Familie mein Hobby. Als gebürtiger Österreicher gehe ich gern klettern oder Ski fahren, auch wenn ich jetzt in meiner neuen Heimat Berlin wenig Gelegenheit dazu habe. Wenn Sie so wollen, ist Sport meine Entspannung.
Zur Person: Prof. Gerhard Krönke ist Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Charité in Berlin sowie Liaison-Gruppenleiter am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin, ein Leibniz-Institut.
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 1-2025. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).