„Wie verbessern digitale Lösungen mein Leben mit einer rheumatischen Erkrankung?“: So lautete das Thema für den Edgar-Stene-Preis 2021. In ihrem Gewinnerbeitrag schreibt Stine Bjørk Brøndum Hefsen aus Dänemark, wie die Möglichkeit, online ein Konzert zu erleben und in einer Gemeinschaft zusammenzukommen, ihr Leben bereichert. Dies ist ihr Beitrag:
Der Lichtstrahl eines Scheinwerfers durchdringt die Dunkelheit, die die Bühne einhüllt. Nur der Frontsänger hinter dem Mikrofon wird jetzt angestrahlt. „Geht es euch allen da unten gut?“, ruft er. Bevor ich meinen Mund geöffnet habe, schlägt er den ersten Akkord auf seiner Gitarre an. Im gleichen Moment wird der Rest der Band angeleuchtet. Bass und Schlagzeug fallen ein, verstärkt von einem hypnotisierenden roten Licht, das bei jedem Beat aufblitzt. Ich sehe die Bühne perfekt, die Musik durchdringt meine Haut und füllt meinen Körper mit einer Leichtigkeit, die ich lange nicht gefühlt habe.
Die Noten machen die Last leichter, die mich ständig niederdrückt. Jetzt gerade bin ich einfach nur ich.
Livemusik bequem vom Sofa aus
Aus dem Augenwinkel sehe ich meinen Mann. Er sitzt an unserem Esstisch und faltet Wäsche. Ich trage Schlafanzug und Socken. Ich muss lächeln, mein Mann lächelt zurück. Ich rücke meine Kopfhörer zurecht, bin den Tränen nahe. Ich kann es kaum glauben, dass ich gerade das erste Mal seit drei Jahren ein richtiges Konzert erlebe. Zu Hause, im Wohnzimmer. Ich bin alt genug, um mich an die Zeit vor dem Internet zu erinnern. Aber ich bin auch jung genug, um oft zu hören: „Also bitte, du bist zu jung für Arthritis!“. Viele glauben, dass ich nur ein paar Schmerztabletten einwerfen muss und dann fröhlich weiterleben kann. Leider ist das nicht so!
Überhaupt nicht. Die Unterschiede zwischen dem, was ich vor der Erkrankung tun konnte, und dem, was ich jetzt tun kann, sind glasklar.
Abgeschnitten vom normalen Leben
Als die weltweite COVID-19-Pandemie Dänemark in den Lockdown versetzte, wurden wir alle vom gewohnten Leben abgeschnitten. Wir konnten nicht einkaufen oder in Cafés gehen, keine Leute treffen, wie wir es normalerweise getan hätten. Museen wurden geschlossen, Fußballspiele und Konzerte abgesagt. Diese Einschränkungen und Entbehrungen, die jeder plötzlich erlebte, entsprechen weitgehend dem, was meine Erkrankung mit mir macht. Ich fühle mich von gesellschaftlichen Situationen ausgeschlossen. Als ob ich nicht mehr dazugehöre. Die Regierung teilte der gesamten Bevölkerung mit, was wir wegen COVID-19 nicht tun durften.
Mein Körper teilt mir mit, was ich nicht tun kann. Eine ganze Bevölkerung zu blockieren, zwingt die Menschen, ihre Kreativität einzusetzen und neue Wege zu finden – besonders digitale Lösungen. Patienten sehen ihre Ärzte jetzt auf ihren Tablets, andere nehmen digital an Elternabenden teil oder bestellen Lebensmittel online. Und Streamingdienste ermöglichen Livemusik im Wohnzimmer. Ich kann meine Lieblingsband live sehen, im Schlafanzug und Wollsocken. Wie komme ich zu dem Konzert hin, habe ich genug Energie, die ganze Zeit zu stehen, will ich die Schmerzen am nächsten Tag wirklich aushalten? Darüber muss ich dieses Mal gar nicht nachdenken.
Obwohl ich zu Hause mit meinen Kopfhörern stehe, bin ich nicht allein. Andere schauen mit mir zu. Und am wichtigsten: Ich fühle mich nicht mehr einsam. Zum ersten Mal seit langer Zeit spüre ich, dass ich dazugehöre und Teil einer Gemeinschaft bin. Digitale Lösungen machen einen Unterschied für mich – besonders bei Erlebnissen und Erfahrungen.
Onlinekonzerte bereichern mein Leben
Es ist eine Sache, online einzukaufen, online Krankengymnastik zu machen oder den Arzt per Video zu sprechen. Die Digitalisierung hat solche Dinge einfacher gemacht – das setzt Energie frei für andere Dinge. Energie, die meinem dreijährigen Sohn zugutekommt. Es ist etwas ganz anderes, an gesellschaftlichen Ereignissen teilnehmen zu können, etwa an Konzerten, Lesungen und Theatervorstellungen in meinem Wohnzimmer. Diese Erfahrungen erweitern meinen Horizont, zeigen mir neue Perspektiven auf und bereichern mein Leben in einer Art und Weise, wie es mir lange nicht möglich war. Was viele als Einschränkung betrachten, empfinde ich als Fortschritt, mit mehr und besseren Gelegenheiten am Alltagsleben teilzuhaben. Die Möglichkeit, virtuell zusammenzukommen, bedeutet für meine Familie und mich, für einen Moment meine Einschränkungen vergessen zu können. Ich kann mithalten, auf Augenhöhe.
Ein wunderbarer Trend: Ich bin dabei!
Zwischen Arbeit, Wäsche und kleinen Kindern ist es oft schwierig, Zeit und Energie für ein Treffen zu finden. In diesem Jahr liegt die Lösung auf der Hand: Wir treffen uns virtuell, sobald die Kinder im Bett sind und wir uns ein Glas Wein eingeschenkt haben. Tatsächlich „sehe“ ich manche Freunde zurzeit häufiger als vorher. Sicherlich, es geht etwas verloren, wenn Menschen sich virtuell treffen. Aber egal, ob es um einen Drink nach der Arbeit oder ein Livekonzert geht: Für mich bedeutet es, entweder digital oder überhaupt nicht teilzunehmen. Ich möchte jeden Einzelnen von Ihnen anflehen: Wenn die Pandemie vorbei ist, können wir bitte diesen wunderbaren Trend beibehalten? Auf diese Art und Weise können Menschen wie ich – denen es in der analogen Welt nicht gut geht – trotzdem teilnehmen und sich als Teil der Gesellschaft fühlen. Auf Augenhöhe.
Autorin: Stine Bjørk Brøndum Hefsen ist 36 Jahre alt, gelernte Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Aarhus, Dänemark.
Übersetzung: Brunhilde Sattel ist ehemalige Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift "mobil"