„Menschen mit Behinderungen sollen selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können“ – so textet das Ministerium für Arbeit und Soziales zum Teilhabestärkungsgesetz. Ein Gesetz mit Licht und viel Schatten.
Die Regelungen des Teilhabestärkungsgesetz treten überwiegend zum 1. Januar 2022 in Kraft und hätten das Potenzial gehabt, deutliche Akzente zur Stärkung der Teilhabe behinderter Menschen zu setzen und die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention voranzutreiben. Diese Chance wurde vertan. Die Deutsche Rheuma-Liga beleuchtet in ihrer Mitgliederzeitschrift "mobil" die wichtigsten Punkte.
Ausgleichsabgabe
Im Dezember 2020 hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigt, die monatliche Ausgleichsabgabe für Unternehmen zu verdoppeln. Betriebe, die keine schwerbehinderten Menschen unter Vertrag haben, hätten 720 Euro statt 360 Euro bezahlen müssen. Bei der Absicht ist es leider geblieben, obwohl rund ein Viertel (43.000) der in Frage kommenden Unternehmen keinen einzigen Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigt.
Assistenz im Krankenhaus und der Reha
Wer eine persönliche Assistenz im Alltag benötigt, braucht diese meistens auch während eines Krankenhaus- oder Rehaaufenthalts. Bisher gibt es eine gesetzliche Regelung zur Kostenübernahme nur für diejenigen, die ihre Assistenz über das Arbeitgebermodell sicherstellen. Das Teilhabestärkungsgesetz wäre eine Gelegenheit gewesen, endlich eine gesetzliche Regelung für alle Assistenzkräfte festzuschreiben. Das ist leider nicht geschehen.
Nach massivem Protest wurde vor der Sommerpause des Bundestages in einem anderen Gesetzgebungsverfahren eine Regelung beschlossen. So übernimmt die Krankenkasse unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für die Begleitung durch Angehörige. Hierzu wird ein Anspruch auf Krankengeld eingeführt. Die Zustimmung des Bundesrates steht allerdings noch aus.
Barrierefreiheit
Bisher müssen nur Einrichtungen des Bundes und der Länder einen barrierefreien Zugang sicherstellen – sowohl beim Gebäude als auch zum Beispiel beim Internetauftritt. Private Anbieter sind dazu weiterhin nicht verpflichtet – eine vertane Chance.
Jobcenter
Die Jobcenter werden stärker als bisher in das Rehageschehen einbezogen und können künftig bereits parallel zum Rehaverfahren mit vermittlungsunterstützenden Leistungen flankieren. Jobcenter und Rehabilitationsträger sollen ihre Leistungen koordinieren und abstimmen. So soll eine schnellere Eingliederung in den Arbeitsmarkt erreicht werden.
Reha-Apps
Digitale Gesundheitsanwendungen werden in den Leistungskatalog der medizinischen Reha aufgenommen. Die Apps müssen im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm) gelistet sein, damit sie erstattungsfähig sind.
Budget für Ausbildung
Künftig können Menschen mit Behinderungen, die sich bereits im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen oder eines anderen Leistungsanbieters befinden, das Budget für eine Ausbildung nutzen, um eine reguläre/anerkannte Berufsausbildung zu erhalten.
Autorin: Sabine Eis ist Referentin für Gesundheits- und Sozialpolitik, Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband.