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Autofahren trotz Rheuma

Je stärker die Bewegungseinschränkungen durch rheumatische Erkrankungen werden, desto dringlicher wird die Frage: Kann ich überhaupt (noch) selbst fahren? Tipps und Erfahrungen zum Thema Autoumbau.

Wer schon als Kind mit einer starken rheumatischen Erkrankung aufwuchs, konnte nur selten wie Altersgenossen einfach den Führerschein machen und losfahren. Fahrschule und Auto müssen zu den Handicaps passen. „Zehn Jahre hat es bei mir gedauert, bis ich mein Auto endlich abholen konnte“, berichtet etwa Doreen Lange aus Freiberg in Sachsen, die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) hat. Wer im Laufe der Jahre spürt, dass das Fahren belastender wird, kann unterschiedlich handeln. „Gehen Sie zu einer Fahrschule mit Behindertenausbildung und nehmen Sie eine Fahrstunde“, empfiehlt Bernd Schulz aus dem Mobilcenter Zawatzky in Meckesheim. „Der Fahrlehrer wird Ihnen zeigen, welche Umbauten in Ihrem Falle möglich sind und hilfreich wären.“

„Im Prinzip kann man sagen, dass mit fortschreitender Technik immer schwerer behinderte Menschen trotzdem Auto fahren können“, betont Dirk Poweleit, Vorsitzender des Verbands der Fahrzeugumrüster für mobilitätseingeschränkte Personen (www.vfmp.de) und Leiter des Umrüstungsbetriebs A.S.P in Stuhr bei Bremen. Grundsätzlich empfiehlt der Verband allen Menschen mit Bewegungsbeeinträchtigungen ein Automatikgetriebe. Doch es gibt noch viele weitere Hilfen: Ab 100 Euro zum Beispiel ist ein Drehknopf als Lenkhilfe erhältlich. Für etwa 3.000 bis 10.000 Euro gibt es eine Vorrichtung, um den Rollstuhl zu verladen. Die Gesamtkosten sind jedoch so individuell wie die Anpassungen.

15.000 Euro für den Neuwagen, 18.000 Euro für die Umbauten – so war es bei Doreen Lange, die seit Anfang Mai einen Citroën C3 ihr Eigen nennt. Schon im dritten Lebensjahr bekam sie JIA, erhielt in den vergangenen acht Jahren sechs neue Gelenke. Mobil ist sie trotzdem, denn ihr Auto enthält einige Besonderheiten: „Erstens habe ich einen Spezialsitz, der elektrisch in alle Richtungen verstellbar ist. Zweitens fahre ich nur mit den Händen, die Pedale sind abgedeckt. Mit der rechten Hand bediene ich den Hebel, der mit Gasund Bremspedal verbunden ist, mit der Linken lenke ich, unterstützt durch einen Dreizack.“ Für Beleuchtung und Blinken ist ihr Hinterkopf zuständig, mit dem sie die entsprechenden Knöpfe in der Kopfstütze bedient. „Insgesamt sind bei mir ganz viele Funktionen an anderen Stellen als üblich“, verrät sie. So finden sich Anlassknopf und Handbremse im Sitz. Seiten- und Rückfahrkamera ersetzen den Schulterblick.

„Da ich schon seit der Kindheit entzündliches Rheuma (JIA) habe und meine Schultern, Ellenbogen und Hände stark betroffen sind, kam für mich von Anfang an nur ein Automatikauto infrage“, berichtet Katrin Becker aus München. „Wichtig war auch eine ultraleichte Servolenkung.“ Die 48-Jährige nutzt eine Höhenanpassung von Gas- und Bremspedalen und einen Anlassknopf. Weil sie den Knopf an der Schaltung nicht mit dem Daumen betätigen konnte, hat sie mit ihrem Autobauer eine individuelle Lösung erarbeitet, sodass sie nun einen Hebel mit der ganzen Hand hinunterdrücken muss. Ein weiterer Hebel erleichtert es ihr, die Fahrertür zu öffnen. Außerdem verbessert ein Panoramaspiegel den Überblick.

Concetta Tatti aus Olching bei München erkrankte schon als Kleinkind an Dermatomyositis und fährt einen elektrischen Rollstuhl. Deshalb kamen nur wenige Autos für die 40 Jährige infrage. Die Arbeitsagentur, die den Umbau bezuschusste, entschied sich für den T4 Bus von VW. 100.000 D-Mark kostete der Umbau, seit 15 Jahren ist Tatti damit unterwegs. Die Heckklappe bedient sie mit einer Fernsteuerung, ein Lift hebt sie samt Rollstuhl hinein. „Dann parke ich meinen Rollstuhl hinter dem schwenkbaren Fahrersitz. Ich setze mich um, drehe mich zum Lenkrad, schließe die Heckklappe und kann los - fahren“, erklärt sie. Ihre Servolenkung ist leichtgängig, am Blinker- und Automatikhebel sind Verlängerungen angebracht.

„Dass die Sprachsteuerung oder Touchpad-Eingabe aller Fahrzeugfunktionen möglich geworden ist, bedeutet einen entscheidenden Schritt voran“, betont Dirk Poweleit. Bernd Schulz nennt die Joysteer-Steuerung ein besonderes Highlight. Dank ihr können auch Personen ein Fahrzeug steuern, die das Lenkrad gar nicht mehr drehen können – mit Hand oder Fuß.

Concetta Tatti, Doreen Lange und Katrin Becker bekamen die Umbauten weitgehend finanziert. Voraussetzung dafür war ihre Berufstätigkeit. Die Rentenversicherung ist der richtige Ansprechpartner für alle, die eine Teilrente beziehen oder seit mehr als 15 Jahren im Beruf stehen. Für alle anderen Erwerbstätigen ist die Agentur für Arbeit zuständig. Katrin Becker berichtet: „Die Arbeitsagentur hat das Auto und die Umbauten bezuschusst. Das Verfahren dauerte seine Zeit, verlief aber ohne größere Probleme.“ Betroffenen mit Erwerbsminderungsrente steht unter Umständen ein Zuschuss für Auto oder Umbauten durch das Sozialamt zu. „Meiner Erfahrung nach ist die Beantragung schwierig und langwierig.“ Viele Fahrzeugumrüster kennen sich mit Fördermöglichkeiten aus und geben Tipps. „Wer nicht im Beruf steht und wer direkt neben der Arbeitsstätte wohnt, hat es schwer. Manchmal gibt es aber Zuschüsse von Stiftungen“, weiß Bernd Schulz.

Das Unternehmen Zawatzky hat zudem mit einer Bank ein Finanzierungsmodell ausgearbeitet, das allen entgegenkommt, die die (Rest-)Kosten nicht sofort stemmen können.

Concetta Tatti empfiehlt allen Betroffenen, auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt Ausschau zu halten. Derartige Angebote gibt es bei Fahrzeugumrüstern, aber auch in Verbänden oder Selbsthilfegruppen. Katrin Becker legt allen mit rheumatischen Erkrankungen ans Herz, beim Autokauf vorausschauend zu planen: „Kalkulieren Sie für alle Fälle eine Gesundheitsverschlechterung mit ein. Oft kommt ein Rheumatiker ja irgendwie zurecht, aber beim Autofahren ist das zu wenig. Also lieber von Anfang an mehr Hebel und Spiegel einplanen.“

Bernd Schulz rät zudem allen, die sich beim Fahren nicht mehr sicher fühlen, zu einer Probefahrstunde bei einer Fahrschule, die Behinderte ausbildet. Dabei zeigt sich, ob und wenn ja, welche Umbauten sinnvoll sind. Das Gros aller Pkws ist umrüstbar, informiert der Experte: „Nach den Umbauten kommt zwar ein TÜV-Prüfer und schaut, wie Sie in Alltagssituationen lenken und fahren. Aber keine Angst, das ist nicht wie eine zweite Führerscheinprüfung.“ Was der Lohn für das umfangreiche Planen, Verhandeln und Antragsformular-Ausfüllen ist, weiß Katrin Becker genau. „Da ich schlecht zu Fuß bin und kaum öffentliche Verkehrsmittel nutzen kann, macht mein Auto mir Füße“, schwärmt sie. „Nur deswegen bin ich mobil und unabhängig, kann am Leben teilnehmen, fühle mich nicht zu sehr eingeschränkt und krank. Ein wahres Geschenk für mich, das mir hoffentlich noch lange möglich bleibt.“

Eine Fahrzeugumrüster-Liste findet sich auf www.vfmp.de.

Informationen zu Kostenübernahmen und Bezuschussungen finden Sie bei der Rentenversicherungen unter www.deutsche-rentenversicherung.de (In der Suche „Kraftfahrzeughilfe“ eintragen.)

Informationen zu den Integrationsämtern gibt es bei der Agentur für Arbeit.

Die Adressen der Arbeitsagenturen vor Ort finden sich unter www.arbeitsagentur.de

Autorin

Die Donauwörther Journalistin Petra Plaum tauchte für mobil ein in die Welt der Umbau- und Umrüstmöglichkeiten.