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Schmerzen bei rheumatischen Erkrankungen

Die Entzündung an den Gelenken ist unter Kontrolle, aber die Schmerzen bleiben? Leider gibt es noch keine Wunderpille gegen chronifizierte Schmerzen bei rheumatischen Erkrankungen. Die Therapie muss sehr individuell gestaltet werden, um Erfolge zu erzielen – am besten multimodal.

Übersicht

Schmerzen sind eine der wesentlichen Beeinträchtigungen bei rheumatischen Erkrankungen. Unsere moderne Medizin ist schon sehr weit, die Krankheitsmechanismen rheumatologischer Erkrankungen zu verstehen. Es werden immer mehr Medikamente entwickelt, die immer spezifischer in das Immunsystem und am Ursprung der Autoimmunreaktion angreifen. Damit gelingt es mittlerweile sehr gut, die chronische Entzündung zu kontrollieren.

Dabei hat sich das Prinzip der frühen Therapieeinleitung als besonders effektiv erwiesen. So kann beispielsweise die Gelenkzerstörung bei der rheumatoiden Arthritis in vielen Fällen verhindert werden. Trotz dieser Erfolge in der antientzündlichen Therapie ist die Lebensqualität vieler Patienten weiterhin gemindert. Schmerz ist dabei eines der führenden Probleme.

Schmerzen entstehen im Körper immer dann, wenn Gefahr für den Körper droht. Sie sind damit vor allem ein Warnsignal, um eine Beseitigung der Gefahr möglichst effizient zu gestalten. Beispielsweise wird man nach einer Muskelzerrung die betroffene Muskulatur aufgrund der Schmerzen schonen, was eine zügigere Heilung gestattet. Ist die Heilung abgeschlossen, ist der Schmerz verschwunden, weil der Körper keine weitere Gefahr mehr sieht und die volle Funktionsfähigkeit zurückgewonnen ist. Auch bei lokalen Entzündungen ist ein akuter Entzündungsschmerz sinnvoll: Wer sich zum Beispiel an einem Dorn verletzt, wobei Bakterien in den Körper eindringen, spürt diesen Schmerz und schont diese Stelle. Das unterstützt den ungestörten Heilungsprozess.

Immunzellen kommen bei Schmerz zum Einsatz

Auf mikroskopischer Ebene spielt bei all diesen Prozessen das Immunsystem eine zentrale Rolle. Die Abwehrzellen beseitigen dabei nicht nur potenzielle Krankheitserreger. Sie verantworten auch den Abtransport und die Reorganisation zerstörter Bereiche im Rahmen der Wundheilung. In diesen Situationen wird Schmerz durch Erregung sogenannter nozizeptiver Nervenfasern ausgelöst. Diese Nervenfasern sind im ganzen Körper in einem dichten Netzwerk organisiert und ständig bereit, Gefahr für den Körper zu signalisieren. Dazu gehört zum Beispiel zu großer Druck, zu große Hitze, aber auch zerstörtes Gewebe. Die Erregung geht bis ins Gehirn und vermittelt uns dort das Gefühl von Schmerzen an der betroffenen Stelle.

Kommt es in dem lokalen Bereich nun auch noch zu einer Entzündungsreaktion, wird das Immunsystem aktiviert und bestimmte Botenstoffe werden ausgeschüttet. Diese verstärken den Schmerz. Zu diesen Substanzen gehören etwa Prostaglandine oder Zytokine. Es gibt Medikamente, die diese sogenannten akuten nozizeptiven Schmerzen gut lindern. Dazu unterdrückt man entweder die gesamte Entzündungsreaktion oder blockiert schmerzverstärkende Botenstoffe wie Prostaglandine. Auch zu Beginn einer rheumatischen Erkrankung gehen Schmerzen auf diese Mechanismen zurück.

Klassischerweise sind dabei zum Beispiel die entzündeten Gelenke bei der rheumatoiden Arthritis betroffen. Um diese nozizeptive Schmerzen zu behandeln, kommen normalerweise sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz, etwa Ibuprofen, Diclofenac oder Etoricoxib. Dabei handelt es sich um Substanzen, die unter anderem die Prostaglandinherstellung bremsen und damit sowohl die Entzündung als auch die Schmerzverstärkung abschwächen. Die relevantesten Nebenwirkungen dieser Medikation sind Minderung der Schleimhautdurchblutung – im Magen birgt das etwa die Möglichkeit zur Geschwürbildung und Blutung. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt sowie für eine  Verschlechterung der Nierenfunktion.

Bei der autoimmunbedingten Arthritis ist meist eine noch effektivere Blockade der Entzündungsreaktion nötig, die gleichzeitig auf die nozizeptiven Schmerzen wirkt: Zur Kontrolle der Entzündung wird beispielsweise eine stärker wirksame antientzündliche Medikation eingesetzt. Dazu gehören etwa Steroide (Prednisolon), aber auch spezifische antientzündliche Medikamente, zum Beispiel Biologika, die in indirekter Weise auch Schmerzen lindern. Bei einzelnen entzündeten Gelenken kann auch eine Lokaltherapie mit Steroiden erfolgreich sein. Generell sollte diese Gruppe von Medikamenten aber nicht als reine Schmerzmittel dienen, sondern nur, um die Entzündung zu lindern und das Immunsystem zu modulieren.

Dauerschmerz bei rheumatoider Arthritis

Das Problem für viele Rheumapatienten sind aber nicht nur diese akuten nozizeptiven Schmerzzustände, sondern chronische Schmerzen trotz einer objektiv gut kontrollierten  Entzündungsreaktion. Die Zahlen sind sicherlich einer gewissen Schwankungsbreite unterworfen, aber Schätzungen gehen dahin, dass zum Beispiel bis zu 30 Prozent der Patienten mit rheumatoider Arthritis weiterhin an lebensqualitätseinschränkenden Schmerzen leiden, obwohl sie objektiv keine aktiven Entzündungen mehr an den Gelenken haben. Die Ursache dieser Beschwerden ist komplex und kann viele Gründe haben.

Für ihre Behandlung empfiehlt sich ein multimodaler Therapieansatz. Warum chronifizieren sich diese Schmerzen und koppeln sich von der Entzündung ab? Eine Ursache sind strukturelle Schäden: Durch die Entzündung entstehen sogenannte Sekundärarthrosen, die ganz ohne entzündlichen Anteil auftreten können.

Eine weitere Möglichkeit ist der Prozess der sogenannten Sensibilisierung. Das ist ein Begriff aus der Neurophysiologie, der besagt, dass Nerven selbst oder die zentrale Weiterleitung und Verarbeitung von Schmerz so verändert sind, dass bei gleicher Erregung Signale und damit Schmerzen einfacher ausgelöst werden können – einmal erlebte Schmerzen bahnen sich sozusagen ihren Weg. Die Schmerzen können sich sogar verselbstständigen und ganz ohne Reize auftreten.

Die Mechanismen dieser Sensibilisierung sind vielfältig. So kann das dauerhafte Einwirken entzündlicher Botenstoffe dazu führen, dass Nervenzellen sich neu organisieren und/oder sogar ihre Verbindungen untereinander neu verknüpfen. So führt normalerweise eine Hemmung auf der Ebene des Rückenmarks dazu, dass Schmerzreize von Armen oder Beinen nicht ungebremst ins Gehirn gelangen. Fällt diese Bremse weg, ist das Schmerzempfinden bei gleichem Reiz verstärkt.

Kommt es durch chronische Einwirkung von entzündlichen Botenstoffen zu diesen Sensibilisierungsvorgängen, kann es sein, dass das Schmerzsystem so empfindlich eingestellt ist, dass schon normale Belastungen oder Berührung ausgeprägte Schmerzen hervorrufen. Bei der Fibromyalgie tritt dieser Zustand auf, ohne dass es zuvor eine bekannte Entzündungsreaktion gegeben hat. 

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Auch die Psyche spielt beim Schmerz eine Rolle

Diese Mechanismen haben Medizinerinnen und Mediziner in der Vergangenheit gut entschlüsseln können. Doch das ist noch nicht alles – wir wissen heute, dass auch die Psyche und der soziale Kontext eine Rolle bei der Schmerzwahrnehmung spielen.

Experten sprechen vom sogenannten biopsychosozialen Modell der Schmerzentstehung. Auf welchen Wegen diese Beeinflussung erfolgt, ist allerdings noch nicht exakt geklärt. Es ist aber wahrscheinlich, dass bestimmte Neurotransmitter eine Rolle spielen: Bei psychischen Erkrankungen wie einer Depression oder auch in belastenden Situationen kann die Menge dieser Botenstoffe verändert sein, was unter anderem die Schmerzwahrnehmung modulieren kann. Das erklärt auch, wieso Antidepressiva bei manchen Patienten mit diesen chronischen Schmerzzuständen erfolgreich sind: Sie verändern die Konzentration der Neurotransmitter im Nervensystem. So steigern die Wirkstoffe Amitriptylin oder Duloxetin die Ausschüttung des Botenstoffs Noradrenalin. Das kann die Empfindlichkeit der Schmerzwahrnehmung verringern.

Neuropathie: echte Schäden am Nervensystem

Ein weiterer Grund für chronifizierte Schmerzen sind Neuropathien, also Schädigungen von Nerven selbst. Diese Zellen reagieren empfindlicher auf Schmerzreize. Sie können aber auch ganz ohne entsprechenden Reiz spontan ein Schmerzsignal produzieren.

Solche Schäden an Nervenzellen können zum Beispiel mechanisch erfolgen, etwa durch Druck in einem verengten Karpaltunnel an der Handwurzel oder auch im Kubitaltunnel am Ellenbogen. Weitere mögliche Ursachen sind Infektionserreger, etwa reaktivierte Windpockenviren bei Gürtelrose. Außerdem können neuropathische Schmerzen durch strukturelle Schäden oder eine verlängerte lokale Entzündungsreaktion auftreten. So schätzt man, dass beispielsweise etwa 20 Prozent der Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis eine behandlungswürdige neuropathische Schmerzkomponente aufweisen. Bei degenerativer Arthrose könnten es sogar über 40 Prozent der Betroffenen sein.

Neuropathische Schmerzen unterscheiden sich von akuten nozizeptiven Schmerzen oder „gebahnten“ Sensibilisierungsschmerzen. Neuropathische Schmerzen werden als stechend, bohrend, einschießend oder auch unangenehm kribbelnd beschrieben. Ebenso können Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen auftreten. Um die neuropathische Schmerzkomponente zu erkennen, kann eine genaue Anamnese oder auch speziell dafür entwickelte Fragebögen herangezogen werden.

Es stehen Medikamente zur Verfügung, die speziell auf diese neuropathische Schmerzkomponente wirken. Dazu gehört beispielsweise eine Therapie mit Neuroleptika, etwa mit Gabapentin, Pregabalin oder Carbamazepin. Eine Alternative stellen Schmerzmodulatoren aus der Gruppe der Psychopharmaka dar, etwa sogenannte trizyklische Antidepressiva. Liegt eine klar definierte Nervenreizung vor, kann auch eine gezielte, lokale Therapie, etwa mit Lokalanästhetikum, helfen. Bei strukturellen Ursachen hilft unter Umständen ein entlastender operativer Eingriff, etwa beim Karpaltunnelsyndrom.

Noch sehr unklare Daten zu Cannabis und Co.

Sollten Standardtherapien auch in höheren Dosen nicht ansprechen, kann  als Versuch für diese spezielle Schmerzart auch medizinisches Cannabis beziehungsweise Cannabinoide zum Einsatz kommen. Dies ist ein durchaus kontroverses Thema. Leider ist die Datenlage zum Thema Cannabis bei entzündlich-rheumatologischen Erkrankungen zu spärlich, um klare Empfehlungen auszusprechen.

Vor allem, was eine potenzielle antientzündliche Wirkung angeht, ist die Evidenz sehr unzureichend, um darauf basierende Empfehlungen abzugeben. Etwas besser ist die Datenlage bei sogenanntem Nicht-Tumor-Schmerz, etwa im Rahmen einer rheumatologischen Erkrankung und der Anwendung von medizinischem Cannabis oder Cannabinoiden. Daraus resultiert die Möglichkeit, medizinisches Cannabis zur Behandlung der neuropathischen Schmerzen in der Drittlinientherapie einzusetzen. Allerdings muss man sagen, dass die Datenlage so schlecht ist, dass einige Fachgesellschaften selbst die Möglichkeit der Drittlinientherapie nicht unterstützen.

Für alle anderen Schmerzformen, insbesondere auch bei der Fibromyalgie, kann die Anwendung von Cannabis aufgrund nicht ausreichender Evidenz nicht abschließend beurteilt werden – und weil immer wieder auffällt, dass die Wirkungen zu möglichen Nebenwirkungen in keinem günstigen Verhältnis stehen. Etwaige Nebenwirkungen sind dabei vor allem auf Tetrahydrocannabinol (THC) zurückzuführen. Das ist der Hauptwirkstoff der Hanfpflanze, der auch für Rauschzustände verantwortlich ist. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören etwa Schwindel, Müdigkeit, Verwirrtheit. Allerdings können auch Psychosen auftreten sowie Herzrhythmusstörungen – und es gibt mögliche Einflüsse auf die Gehirnstruktur mit potenzieller Persönlichkeitsveränderung bis etwa zum 25. Lebensjahr.

Cannabis hat noch mehr Bestandteile, zum Beispiel das als Nahrungsergänzung verfügbare Cannabidiol (CBD), das keine Wirkung auf die Psyche hat. Auch für CBD ist die Datenlage leider unzureichend, um einen Einsatz bei rheumatologischen Beschwerden zu beurteilen. Generell ist CBD aber etwas nebenwirkungsärmer, vor allem, was psychische Nebenwirkungen betrifft. Es kommt zum Beispiel bei speziellen Formen der kindlichen Epilepsie zum Einsatz.

Möglicherweise hat es eine entzündungshemmende Wirkung, allerdings erst in hohen Dosen, die man keinesfalls durch die übliche Verwendung von Nahrungsergänzungspräparaten erreichen kann. Insgesamt lässt sich zum Thema Cannabis feststellen, dass leider eine eindeutige Datenlage für eine Bewertung fehlt. Das erklärt auch die vielen widersprüchlichen Informationen, die kursieren.  

Schmerztherapie: WHO empfiehlt ein mehrstufiges Schema

Meistens handelt es sich bei chronifizierten rheumatischen Schmerzen um ein Mischbild verschiedener Schmerzkomponenten, die entsprechend erkannt und therapiert werden müssen. Ziel ist sicherlich die Schmerzreduktion, im Idealfall Schmerzfreiheit der Patientin oder des Patienten. Grundsätzlich gilt deshalb in der rheumatologischen Schmerztherapie auch das Stufenschema der WHO, das symptomorientiert arbeitet.

Bei unzureichender Schmerzkontrolle schlägt es vor, die Intensität der Schmerztherapie stufenweise zu steigern – von Nichtopioiden wie NSAR, Metamizol oder Paracetamol über schwache Opioide wie Tilidin oder Tramadol bis hin zu starken Opioiden, etwa Fentanylpflaster oder Oxycodon/Naloxon. Bei rheumatologischen Erkrankungen sollte man zunächst dem oben vorgestellten mechanistischen Ansatz folgen und bei unzureichender Wirkung das WHO-Schema berücksichtigen.

Präparate wie Metamizol, Paracetamol, aber auch die Opioide wirken in erster Linie schmerzlindernd, weniger antientzündlich. In der Literatur gibt es auch Hinweise darauf, dass die Indikation für Opioide im Rahmen der rheumatologischen Schmerztherapie gut geprüft und im Einzelfall abgewogen werden sollte. Der Grund sind Nebenwirkungen, etwa die erhöhte Sturzneigung und Schwindel oder die Müdigkeit. Wenn beschlossen wird, stärkere Opioide oder Cannabis einzusetzen, ist es auch sinnvoll, einen Schmerztherapeuten in die Behandlung einzubinden. 

Autor: Prof. Georg Pongratz ist Chefarzt der rheumatologischen Rehabilitation am Zentrum für Rehabilitation des Asklepios Klinikums Bad Abbach und Angehöriger der Medizinischen Fakultät der Universität Regensburg.

Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 2-2023. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).

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