Eine neue Perspektive der Mobilen Rehabilitation ermöglicht vor allem älteren, gebrechlichen Menschen eine Maßnahme in den eigenen vier Wänden. Wie funktioniert das, und für wen kommt das infrage?
Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann ist orthopädischer Rheumatologe, Vorstandsmitglied der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband und im Landesverband Rheinland-Pfalz, und spricht im Interview mit Julia Bidder, Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift "mobil", über das Thema Mobile Rehabilitation.
Herr Dr. Schmidt-Ohlemann, was versteht man unter einer Mobilen Rehabilitation?
Mobile Rehabilitation ist eine Form der ambulanten medizinischen Rehabilitation. Mobile Reha wird beim Patienten zu Hause, im Pflegeheim oder in der Behinderteneinrichtung durchgeführt. Das Rehateam ist ärztlich geleitet und besteht aus Ärztin oder Arzt, Physio- und Ergotherapie, Logopädie, Pflegekräften, Sozialdienst und bei Bedarf psychologische Unterstützung etc.
Die Mitglieder des Rehateams machen jeweils einzeln Hausbesuche. Alle Übungen erfolgen unter den individuellen häuslichen Bedingungen. Das hat den Vorteil, dass die reale Situation berücksichtigt werden kann – so kann man zum Beispiel mit dem Betroffenen üben, Stufen zur Wohnung zu überwinden. Außerdem kann man Angehörige beziehungsweise Pflegekräfte gut und unmittelbar mit einbeziehen. Etwaiges Therapiematerial bringen die Therapeuten mit. Ein wichtiges Thema ist die Ausstattung mit geeigneten Hilfsmitteln. Allerdings übernimmt das Mobile Rehateam nicht die normale Pflege oder Versorgung sowie Haushaltstätigkeiten. Pflegende Angehörige oder Pflegedienste bleiben in dieser Zeit zuständig.
Für wen kommt eine Mobile Rehabilitation infrage?
Diese Möglichkeit kommt derzeit fast ausschließlich bei geriatrischen Patienten zur Anwendung. In der Regel sind die Rehabilitanden über 70 Jahre, teilweise auch über 60. Indikationen sind beispielsweise eine Oberschenkelfraktur, die Implantation einer künstlichen Hüfte oder von Knie-Endoprothesen, Schlaganfall, schwerer Gelenkbefall bei chronischer Polyarthritis, Oberarmfraktur, Multiple Sklerose oder die Parkinson- Erkrankung sowie weitere Indikationen. Wichtig ist, dass man realisierbare Rehaziele formulieren kann, etwa, dass man Haus oder Wohnung wieder verlassen kann oder im Alltag zurechtkommen will.
Auch Menschen mit Behinderungen können Mobile Rehabilitation erhalten. Diese Maßnahmen kommen auch für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen in Betracht – zum Beispiel, wenn sie Ängste haben, in eine Rehaklinik zu gehen und ihr Zuhause nicht verlassen möchten. Übrigens eignet sich Mobile Rehabilitation auch als Anschlussheilbehandlung nach einem Krankenhausaufenthalt und kann sogar im Anschluss an eine geriatrische Frührehabilitation möglich sein.
Wie lange dauert diese Maßnahme?
Durchschnittlich umfasst eine Mobile Rehabilitation 35 bis 45 Hausbesuche, von denen in einer Woche mindestens sechs erfolgen sollen, beziehungsweise 20 Behandlungstage. In der Praxis ergibt sich dadurch eine Laufzeit von sechs bis zehn oder auch mal zwölf Wochen. Bei Bedarf ist eine Verlängerung möglich.
Muss man für die Mobile Rehabilitation auch Zuzahlungen leisten?
Ja, es gelten die gleichen Regelungen wie für stationäre Reha – auch für die Befreiung von der Zuzahlung. Kostenträger ist derzeit in den meisten Fällen die Krankenkasse. Die Rentenversicherung hat noch kein solches Angebot.
Gibt es noch etwas, was man dabei beachten muss?
Mobile Rehabilitation ist zurzeit nur an etwa 25 Standorten in Deutschland verfügbar, die meisten davon liegen in Bayern. Sie ist zudem auf geriatrische Rehabilitation ausgelegt. Derzeit ist es offen, ob es Mobile Rehabilitation auch für jüngere Patienten geben wird, bei denen etwa eine orthopädische oder rheumatologische Rehabilitation durchgeführt werden soll.
Wie komme ich zu einer Mobilen Rehabilitation und an wen kann ich mich wenden, wenn ich mich für diese Maßnahme interessiere?
Wenn ich im Krankenhaus behandelt werde, etwa in einer Rheumaklinik oder bei einer Operation, habe ich in vielen Fällen Anspruch auf eine anschließende Rehamaßnahme. Diese Maßnahme muss im Rahmen des Entlassmanagements des Krankenhauses organisiert werden.
In der Regel übernimmt das der Sozialdienst. Dort können Sie nachfragen, ob es eine Mobile Reha-Einrichtung in Ihrer Region gibt und ob diese in Betracht kommt. Dann kann eine Mobile Rehamaßnahme als Anschlussreha organisiert werden. Informationen gibt es auch bei der Krankenkasse. Gibt es eine entsprechende Einrichtung in Ihrer Nähe, können Sie dort Details erfragen. Auch Ihr Hausarzt, Orthopäde oder Rheumatologe kann Rehabilitation, auch mobile, verordnen. Wichtig ist, dass der Antrag gut begründet ist und der Arzt dies auf seinem Formular vermerkt und begründet.
Übrigens soll künftig der Zugang für geriatrische Rehabilitation erleichtert werden. Näheres legt die neue Reha-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses fest. Eine weitere Möglichkeit, Mobile Reha zu erhalten, besteht, wenn die Gutachterin oder der Gutachter für Pflegebedürftigkeit des Medizinischen Dienstes bei Ihnen eine solche Maßnahme empfiehlt – und zwar auch ausdrücklich eine Mobile Reha. Sind Sie daran interessiert, sollten Sie das Thema von sich aus ansprechen. Die Erfolgsaussichten sind dann sehr gut.
Weitere Informationen
Die möglichen Indikationen sind in den Gemeinsamen Empfehlungen zur Mobilen Rehabilitation des GKV-Spitzenverbandes aufgeführt – online zu finden in einem kostenlosen PDF.
Gibt es eine Einrichtung für Mobile Rehabilitation in Ihrer Nähe? Informationen dazu finden Sie hier.
Zur Person: Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann ist Vorstandsmitglied der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband und im Landesverband Rheinland-Pfalz sowie Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) und Mitglied des Vorstandes der BAG MoRe.