„Ich war genau dort, wo du jetzt bist“, ihre eigenen Erfahrungen mit einer rheumatischen Erkrankung machen Elisabeth Stegemann-Nicola, wenn sie als ehrenamtliche Beraterin der Rheuma-Liga Nordrhein-Westfalen mit Betroffenen spricht, zu einer Gesprächspartnerin auf Augenhöhe.
Sie ist selbst von einer seltenen rheumatischen Erkrankung betroffen. Als selten gilt eine Erkrankung, wenn sie höchstens fünf von 10.000 Menschen betrifft. Bei ihrer ehrenamtlichen Beratungsarbeit beantwortet Elisabeth Stegemann-Nicola deshalb auch vereinzelt Anfragen zu seltenen Erkrankungen, die aus dem gesamten Bundesgebiet kommen. Zudem engagiert sie sich im Netzwerk Vertreter Seltene der Rheuma-Liga. „Ich habe im Laufe der Jahre gemerkt, ich profitiere auch selbst davon“, begründet sie, warum sie bei der ehrenamtlichen, qualifizierten Beratung des Selbsthilfeverbandes Betroffenen mit Rat und Tat hilft.
„Wer gut informiert ist, hat Klarheit bezüglich der Diagnose und der Möglichkeiten und kann sich dann auch besser für sich selbst einsetzen“, erklärt sie im Gespräch im Rheuma-Podcast, „im besten Fall können wir dazu beitragen, dass rheumakranke Menschen, die wir beraten, zu Expertinnen und Experten ihrer eigenen Erkrankung werden.“
100 Arbeitsgemeinschaften in NRW
Expertinnen und Experten wie es die Beraterinnen und Berater der Rheuma-Liga schon sind. Qualifizierte/r Rheuma-Beraterin/Berater wird man nicht so einfach. „Für ein Engagement in der Beratung ist tatsächlich eine zwei- bis dreijährige Ausbildung Voraussetzung“, berichtet Jens Hertel, der seit fünf Jahren als Berater an Bord ist, „es gibt Seminare zu medizinischen Themen, Sozialrecht, aber auch Gesprächsführung.“ Am Ende erhält jeder ein Zertifikat, das dann für drei Jahre gültig ist. Voraussetzung für die Verlängerung ist die Teilnahme an einem Austauschtreffen, Supervision und die Teilnahme an Fortbildungen während der Beratertätigkeit.
Seit 2012 gibt es das Angebot in Nordrhein-Westfalen. 56 Beraterinnen und Berater sind derzeit im Einsatz, acht weitere befinden sich in der Ausbildung. Langfristiges Ziel des Selbsthilfeverbandes in NRW ist es, in jeder der 100 Arbeitsgemeinschaften Ehrenamtliche auszubilden. „Die Selbsthilfe und unsere Unterstützung für Rheumabetroffene leben vom ehrenamtlichen Engagement“, betont Elisabeth Stegemann-Nicola, „deshalb freuen wir uns über alle, die sich gemeinsam mit uns in der Deutschen Rheuma-Liga NRW engagieren möchten.“ Auch in allen anderen Bundesländern stehen Ehrenamtliche Betroffenen zur Seite.
Betroffene wenden sich vor allem mit Fragen zu Krankheitsverläufen und Therapiemöglichkeiten an die Beratenden: „Viele haben Ängste in Bezug auf die starken Rheuma-Medikamente – diese Ängste versuchen wir den Menschen zu nehmen“, erzählt Jens Hertel. Die Beratung habe aber auch Grenzen: „Wir machen sehr deutlich, dass wir keine ärztliche Beratung erbringen können und auch keine Rechtsberatung anbieten“, ergänzt er.
„Die Diagnose ändert alles“
Mit der Diagnose Rheuma beginnt für viele Menschen eine Zeit der Verunsicherung. „Die Diagnose ändert alles, da müssen manche Lebenspläne über Bord geworfen werden“, sagt Stegemann-Nicola. Ein Problem, das Ratssuchende immer wieder ansprechen, ist der Mangel an Rheumatologen. „Da heißt es dann: Kennen Sie vielleicht noch einen Rheumatologen, der noch Patienten annimmt?“, solche und ähnliche Fragen hören Elisabeth Stegemann-Nicola, Jens Hertel und viele andere Beraterinnen und Berater oft.
Seit vielen Jahren kämpft die Deutsche Rheuma-Liga gegen den eklatanten Rheumatologen-Mangel in Deutschland – unter anderem im Gemeinsamen Bundesausschuss. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie fehlen in Deutschland allein in der ambulanten Versorgung fast 600 zusätzliche internistische Rheumatologen.
100 neue Rheumatologen
Die Änderung der Bedarfsplanung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss 2019 war ein erster Schritt zur Verbesserung der Versorgung. "Bundesweit werden fast 100 neue Zulassungen von Rheumatologen in den bisher besonders schlecht versorgten Planungsbezirken möglich", erklärt Ursula Faubel, Geschäftsführerin der Deutschen Rheuma-Liga und Sprecherin der Patientenvertretung im Unterausschuss Bedarfsplanung des G-BA. „Jetzt gilt es durch Veränderungen in der universitären Ausbildung von Medizinstudenten und der Weiterbildung von Ärzten im Bereich Rheumatologie dafür zu sorgen, dass die offenen Stellen auch besetzt werden können", stellt sie fest.
Elisabeth Stegemann-Nicola findet es sehr wichtig, dass sich die Rheuma-Liga immer wieder für Verbesserungen einsetzt. In den Beratungsgesprächen versucht sie, den Betroffenen deshalb Mut zu machen: „Ich habe selbst erlebt, dass es besser werden kann.“